Schwedenturm und Schwedenscheibe - "Unterstützung" ist zwingend erlaubt!
"So schlimm kann es nicht werden!", denke ich auf der Fahrt in die Sächsische Schweiz mantra-artig und freue mich auf einen Klettertag in Rathen. Die Gipfel Schwedenturm und Schwedenscheibe habe ich noch nicht und die Alten Wege mit V bzw. VI sollten zu bewältigen sein.
Eine Stunde später stehe ich mit offenem Mund in der Scharte zwischen Schwedenturm und Schwedenscheibe und staune zwei bewachsene und grüne Felsgebilde an, die noch nicht mal wirklich klein sind. Oh Gott!
Naja …
Zwei von uns – dabei einer ohne Kletterschuhe (zu Hause vergessen) – will sich am Turm über den AW (V) hocharbeiten. Er schnappt sich seinen Nachsteiger und verschwindet um die Ecke, denn für den AW muss man ein Stück in die Talseite queren.
Der AW ist nun besetzt und wir starren ratlos auf die Schartenwand (VIIb), lt. Teufelsturm der einzig brauchbare Weg. Wir sind uns schnell einig: Der Ring hängt viel zu hoch, bei unklarer Anklettersituation. Ein zaghafter Blick zur Scheibe: Sieht noch schlimmer aus. Blick zurück: Ring zu hoch, Blick zur Scheibe: Schlimm!
Wir untersuchen den Weg zum Ring ... hm, keine erkennbare Sicherung bis dahin, Griffe unklar, Qualität der Rippe neben dem Ring unklar und eigentlich ist es eine Unterstützungsstelle …
Moment? Unterstützung? Darf man hier ggf. "etwas nachhelfen"?
Christoph schnappt sich also eine Bandschlinge und beginnt, diese in Richtung Ring zu schleudern, in der Hoffnung, dass die Schlinge über dem Schaft des Rings liegen bleibt. Es sieht gekonnt aus, offenbar hat er Übung. Er schleudert und keucht und balanciert auf einem kleinen Pfeiler vor der Wand.
Ach übrigens: Es ist sch***-warm! Brüllendheiß! und wir stehen in der Sonne!
Die Bandschlingen-Schleuderversuche sind aber ergebnislos. Demotiviert und schweißüberströmt klettert Christoph zurück. Der Blick wandert wieder zur Scheibe. Neee! Die sieht noch schlimmer aus.
Ich suche die Umgebung ab und finde, was ich brauche: Einen etwa 2,5 m langen Ast. Diesen trage ich zum Lagerplatz und beginne meine Panik-Exe daran zu befestigen. Den anderen dämmert, was ich vorhabe und helfen sofort.
Kurz danach balanciere ich schnaufend auf dem Pfeiler, doch es fehlen vielleicht 5 cm. Christoph muss wieder ran. Wir halten die Luft an und "klick", die Exe rastet in den Ring ein, das Seil hängt: YES!
Jetzt schnell den Ast verschwinden lassen, bevor die beiden AW-Begeher die "Unterstützung" entdecken können. Denn die nehmen es mit der Kletterethik etwas ernster ... Matthias bindet sich fix ein und klettert beherzt in Richtung Ring. Kaum ist der Ast ausgefitzt, in die Büsche geschleudert und die Panikexe gegen einen unschuldigen Karabiner getauscht, tauchen die beiden AW-Begeher frustriert wieder auf: Der AW wird auf Grund von Bewuchs, Dreck und "allgemeiner Schlimmheit" für nackte Füße für unbegehbar erklärt.
Mit großen Augen starren sie dann auf den Karabiner im Ring und einen stolzen Matthias der gerade über die Schlüsselstelle (Hangelrippe) bouldert und dabei kleine Freudenschreibe ausstößt. Die Freudenschreie wandeln sich zunehmend in "Igitt" und "Herrje". Sand- und Dreckklümpchen rieseln auf uns in respektablen Mengen herab. Irgendwann ist er oben. Der Ruf "Aussichern" wird von einer kleinen Sandlawine begleitet.
Dann klettern wir als Lindwurm hinterher. Insgesamt sechs Leute sitzen später auf dem Schwedenturm (Nie, nie wieder! … naja, der Boulderteil am Ring war aber super!) und trauen ihren Augen kaum, als sie die Schwedenscheibe in ihrer ganzen schönen grün-sandigen Pracht bewundern. Immerhin sieht man schon mal das Gipfelbuch …
Kommentar schreiben