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Vergessene Pfade in Böhmen: Zustieg für "Liebhaber"

Es hat gestern geregnet. Den ganzen Tag und die halbe Nacht. An Klettern ist heute nicht zu denken, Pflanzen und Felsen tropfen gleichermaßen satt vom kühlen Herbstregenwasser. Dazu blitzt gelegentlich die Sonne durch die Wolken.

 

Wir starten zum Prebischtorgebiet, böhmische Schweiz. Dort gibt es einen  Gipfel "Hohes Horn" (Vysoký roh), Alter Weg I. Der Kommentar in www.sandsteinklettern.de dazu verspricht eine "Expedition". Also genau das Richtige für dieses Wetter. Den Gipfel hatten wir unlängst von der gegenüber liegenden Alten Wenzelwand (Stará Václavska stena - oben im Bild) erspäht: ein formschönes und geschmeidig geschwungenes, kleines Horn.

 

Zunächst geht es aus Hrenkso heraus in Richtung Prebischtor. Wir schlittern über den mit Basalt gepflasterten Gabrielensteig, verlassen diesen in der ersten steilen Kurve und folgen einem Pfad in Richtung Fremdenweg. Nach 100m löst sich der Pfad irgendwie auf und wir stehen in einem kleinen Kessel mit gut 50m steil nach oben ragenden, moosig-grünen Felswänden: Sackgasse.

Wir befragen Händi und Gefühl, gehen schließlich ein paar Meter zurück und entdecken linkerhand die Andeutung eines Pfads, der steil nach oben führt (auf meinem Händi hat der Pfad die Ausmaße eines Fahrwegs, hier kann man froh sein, wenn jeweils ein Fuß auf der Andeutung des Wegs verlässlich Platz hat).

 

Tatsächlich führt dieser Pfad zur Schwachstelle zwischen den Felsriffs und uns im beherzten Vierfüßlergang, an Wurzeln, Wurzelresten und Moosen hangelnd auf die nächste Sandsteinetage. Wieder stehen wir in einem Kessel, diesmal recht eindrucksvoll. Noch immer ragen um uns Sandsteinwände uneinnehmbar in die Höhe und wieder führt uns ein Pfad links heraus in eine mit Blöcken gefüllte Scharte. Der Weg wird sehr steil, das Weiterkommen mühsam und als wir über die grünen, glitschigen Blöcke turnen, entdecken wir kleine gehauene Stufen und sogar ein kleines Fixseil mit Karabiner.

 

Wow: Ein alter Steig, also sind wir irgendwie "richtig"!

 

Felsenkessel zwischen Gabrielensteig und Fremdenweg - auf der Suche nach dem weiteren Aufstieg.
Felsenkessel zwischen Gabrielensteig und Fremdenweg - auf der Suche nach dem weiteren Aufstieg.

Nach rund einer Stunde ab Gabrielensteig stehen wir als drei grüne Moosmonster mit Moosrucksäcken und Nadeln in den Haaren schließlich auf der obersten Etage des Sandsteins mit dem Fremdenweg. Das Horn sollte in der Nähe sein. Wir waten durch ein Meer von Blaubeerbüschen an die Riffspitze, stoßen auf unzählige Fichtensteinpilze und stehen schließlich … an der Abbruchkante der Sandsteinwände und blicken auf die Alte Wenzelwand.

 

Prebischtorgebiet, Blick auf die Alte Wenzelwand vom "falschen Riff" - weit unten in der Schlucht, der Gabrielensteig
Prebischtorgebiet, Blick auf die Alte Wenzelwand vom "falschen Riff" - weit unten in der Schlucht, der Gabrielensteig

Das Horn ist nicht zu entdecken, es muss auf dem Nachbar-Riff sein.

 

Also ein Stück zurück. Einen wirklichen Pfad sieht man nicht, doch das Händi zeigt einen Count-Down bei den Entfernungsmetern zum Horn und wir hoffen, in keine Sackgasse oder Kluft zu geraten.

Wieder wartet eine hübsche grüne Rinne, diesmal im Abstieg. Dann noch eine im Aufstieg und schließlich eine Art Mooswandlabyrinth zum Einstieg des Alten Wegs auf das Hohe Horn. Vorsichtshalber nehmen wir das Seil mit. Bereits nach kurzer Zeit ist auch mein schönes, pinkes Seil grasgrün und riecht nach Wald. Doch tatsächlich haben wir im Kaminlabyrinth die richtigen, teilweise luftigen Abzweige gewählt und wir stehen schließlich auf dem Gipfel des Hohen Horns.

 

Dieses ist keineswegs der hübsche erwartete Gipfel (dieser ragt zwar links von uns, recht fotogen nach vorn ... doch die Schartenhöhe lässt zu wünschen übrig), sondern ein bewachsener, zerklüfteter und unschöner grüner Haufen. Immerhin haben wir die Jahreserste ("Yeah!").

Helmut zieht noch einen Maronenröhrling aus dem Alten Weg, als wir auf dem Moos zurück zum Massiv rutschen.

 

Sandstein-Mooslabyrinth ... hinter der Schlucht geht es weiter ;)
Sandstein-Mooslabyrinth ... hinter der Schlucht geht es weiter ;)
Zustieg zum Alten Weg, Mooslabyrinth
Zustieg zum Alten Weg, Mooslabyrinth
Hohes Horn, AW ... wir "schwimmen" im Moos nach oben.
Hohes Horn, AW ... wir "schwimmen" im Moos nach oben.

Überlebt!

Wir sind uns einig: Den bewältigten Aufstieg vom Gabrielensteig wollen wir auf keinen Fall wieder absteigen. Wir beschließen, uns über den Fremdenweg (der zum Glück an böhmischen Klettergipfeln vorbei führt und uns damit eine Begehung erlaubt) auf den Gabrielensteig durchzuschlagen.

Auf den Fremdenweg finden wir schnell zurück. Wir folgen diesem bis zur Ostseite des Prebischtors.

 

Blick vom Fremdenweg auf Zuckerhut (Homole) und Beckstein (Pevnost)
Blick vom Fremdenweg auf Zuckerhut (Homole) und Beckstein (Pevnost)
Prebischtor
Prebischtor

 

Am Prebischtor entdecken wir einen größeren Pfad, der uns möglicherweise durch die steilen Felswände nach unten führt. Einen Versuch ist es wert. Wir folgen den steilen Serpentinen des Wegs nach unten. Der Pfad teilt sich und wir steigen weiter ab. Links von uns türmt sich alsbald der Müll, den die Besucher des Prebtischtorgeländes offenbar in die Schlucht werfen, rechts von uns befindet sich die Prebischwand (auch ein Gipfel, an dem wir heute nur eine rund 40m hohe Verschneidung mit drei Ringen, Levý kout (Cak-cak), bewundern).

 

Wir folgen dem Pfad und einem alten Zustiegszeichen weiter in die Tiefe. Bald sind wir sicher, dass wir in einer Sackgasse gelandet sind. Vor uns ein Abgrund, links und rechts steil aufragende Wände. Helmut pirscht sich nach links und verschwindet plötzlich um die Ecke. Wir folgen zögerlich, denn auf einen Rückzug in diesem Gelände haben wir keine Lust.

Doch Überraschung!

  1. Es führt tatsächlich an einer moosgrünen Sandsteinwand entlang ein alter Steig mit kleinen gehauenen Stufen und einem Fixseil hinunter in einen kleinen Kessel, der
  2. … eben genau der erste kleine Kessel ist, den wir beim Aufstieg für eine Sackgasse gehalten haben!

Nun, bei genauerer Betrachtung kann man von unten das Seil entdecken. Doch kennt man den Aufstieg nicht, kommt man sicherlich nicht auf die Idee, an dieser grünen Wand nach einem Weg zu suchen.

 

Fazit: Schöner Tag mit Expeditionsgipfel im böhmischen Nirgendwo.

 

Grasgrüner Auf- und Abstieg mit Fixseil durch Sandsteinwände zur Prebischwand (Pravčická stěna).
Grasgrüner Auf- und Abstieg mit Fixseil durch Sandsteinwände zur Prebischwand (Pravčická stěna).