Als der Wecker an diesem Sonntag kurz nach 6.00 Uhr klingelt, also penetrant piept, reißt er mich aus dem Tiefstschlaf und ich kann mir kaum vorstellen, dass ich mich in der nächsten Stunde auch nur ein kleines Stückchen aus dem Bett bewegen kann.
… doch der Wecker gibt nicht auf und so quäle ich mich aus der warmen Decke und verfluche die Idee vom Vortag (damals noch ausgeschlafen), den Südweg auf der Kleinen Herkulessäule im Morgenlicht zu klettern. Das Motiv ist schon lange eine Idee von Helmut und als Jürgen uns mitteilt, dass er im Bielatal boofen wird … DIE Chance.
Stand gestern …
Stand heute: Dumme Idee!
Schweigend sitzen wir 7.00 Uhr im Auto und sind pünktlich 8.00 Uhr an der Kleinen Herkulessäule. Die Sonne schickt wunderschöne goldene Strahlen ins Bielatal und streichelt über die ersten Gipfelspitzen. Die Herkulessäulen erreichen sie noch nicht. Dafür peitscht uns ordentlich Wind ins Gesicht. Wir stehen also etwas unmotiviert im Wind und im Schatten und suchen uns Windschatten für einen Kaffee.
Langsam steigt die Sonne höher und langsam komme ich zum Schluss, das Bild könnte etwas werden. Helmut verschwindet in Richtung Hallenstein, von dort will er die Aufnahme machen. Wir klettern zum Einstieg des Südwegs.
Der Südweg auf die Kleine Herkulessäule ist zweifellos ein Klassiker, VIIa RP VIIb mit wenigstens zwei Sternchen und einem Ring. Der Weg ist unten steil und verläuft an großen Platten bis zum Absatz des AW, dann noch rund 10m leicht überhängend bis zum Gipfel. Er kostet also Kraft.
Jürgen startet als Leuchtkäfer (Orange/Blau) den Aufstieg. Er quert in die Sonne, ich bleibe im Wind und im Schatten :(
Zunächst warten drei recht glatte Meter, bevor die ersten großen Platten des Südwegs winken. Sorgfältig setzt er seine Füße, ich setze mich hingegen auf einen Block, weil ich das Gefühl habe, der böige Wind reißt mich beim Sichern von den Füßen.
Derweil hat Jürgen die Platten erreicht, an diesen turnt er geschmeidig nach oben. Gelegentlich wirft er eine Bandschlinge über größere Strukturen, während der Wind das Seil in einen prächtigen Linksbogen pustet. Dann ist er schon an der großen Sanduhr und am Ring vorbei. Wie immer ist er sehr schnell. Als er die großen Henkel am Ausstieg erreicht, lässt er die Füße und einen Arm kommen und baumelt samt Seil einhändig im Frühherbst-Sturm. Mir wird ein wenig bang! Doch schon kommt der Ruf: "Aussichern!".
Ich darf hinterher … und vor allem darf ich endlich in die Sonne, YES.
Beim Klettern bin ich eher langsam, doch heute habe ich das Gefühl mit meinen kalten Händen und Füßen die Superschnecke zu sein. Zumindest freue ich mich, als ich nach der glatten Rinne die erste Bandschlinge von den henkeligen Platten pflücken kann. Bis zur Sanduhr läuft es tadellos.
Dann läuft der Wind zu Höchstform auf. Mein Pferdeschwanz flattert waagerecht im Wind und ich habe das Gefühl, meine Füße flattern gleich hinterher … hui - und ich komme zur Erkenntnis: Dieser Wind hat Karrierepläne: Mindestens Herbststurm oder so!
Bis zum Ring also die Füße sortieren, dann wird es kräftig und der Stein grobkörnig. Wind und Überhang kosten Kraft, doch Spaß macht der Weg! Dann stehen wir beide im besten, goldenen Morgenlicht oben auf dem Gipfel. Den Bildern sieht man den Sturm nicht an, doch wir sind heilfroh, als wir dem hartnäckigen Wind durch zügiges Abseilen entfliehen können.
Unten kommt und ein gut gelaunter Helmut entgegen, es hat sich gelohnt, das Bild ist wirklich hübsch geworden. Auch Helmut hatte mit dem Wind zu kämpfen - ein 200er Teleobjektiv im Wind ruhig zu halten, war wohl auch nicht ganz ohne.
Als wir Nachmittag am Spannagelturm die Bruchholzkante und später am Großen Eislochturm "Sonne und Wind" klettern, ist von letzterem nichts mehr zu spüren - der morgendliche Sturm ist einem herrlichen Sonnentag im Altweibersommer gewichen.