Was sollte man zum Thema Nationalpark vs. Naturpark wissen?


Was ist der Anlass?

Die derzeit laufende Petition "Schaffung eines Naturparks Sächsische Schweiz durch Änderung der Sächsischen Naturschutzgesetzgebung".

 

Warum gibt es einen Beitrag von mir?

Ich möchte informieren! 🤓

In der Petition sind Informationen und Darstellungen enthalten und auch Forderungen, die nichts mit dem Status Nationalpark vs. Naturpark zu tun haben und dadurch auch irreführend wirken können.

Es gibt Punkte, die sollte man wissen und bedenken, bevor man sich für eine Unterstützung der Petition entscheidet.

 

Was ist meine Position und warum?

Ganz klar: pro Nationalpark. 🙋‍♀️

▪ Für bestimmte Vorhaben würde sich rechtlich kaum etwas ändern, wenn aus dem Nationalpark ein Naturpark würde.

▪ Es gibt in Deutschland aber nur 16 Nationalparks, jedoch 106 Naturparks - da geht dann die Region in der Masse unter, auch in der überregionalen Berichterstattung über touristische Ziele. Auch wenn man es sich hier kaum vorstellen kann, nicht überall kennt man die Sächsische Schweiz! 

   ... und mal ehrlich? Es leben doch einige Akteure ganz gut vom Tourismus in der Region 😉

▪ Außerdem müssten sich die Kommunen dann um den Naturpark kümmern - also um alles

   ... und auch da mal ehrlich: Das traue ich denen nicht wirklich gut zu (da muss man nur mal an ÖPNV oder Parkplätze denken!) 😱🙈

 


Also: Was gibt es zur Petition sagen?


1. Das Titelbild der Petition war der größte Blödsinn:

Zu keinem Zeitpunkt, nie, war von einem Betretungsverbot des Nationalparks die Rede - und schon gar nicht von der Basteibrücke!

 

Hintergrund: In einer Studie aus dem Jahr 2012 hatten Naturschutzexperten alle Nationalparke in Deutschland untersucht, auch den NP Sächsische Schweiz. Die Empfehlungen waren tatsächlich weitreichend. Der damalige Umweltminister hatte sich öffentlich von den Empfehlungen mit der Bewertung "unrealistisch" distanziert. Daran hat sich nichts geändert - im Gegenteil im Mai 2022 hatte sich die Landesregierung explizit zum bestehenden Wegenetz bekannt.

 

Hinweis: Mittlerweile (27. September 2022) haben die Gestalter der Petition diesen Aufmacher entfernt. Überhaupt wurden einige Punkte etwas entschärft, z.B. was die Verwendung der o.g. Studie betrifft, und einige Punkte gestrafft und/oder korrigiert. Doch viele Menschen haben die Petition vermutlich wegen dieses Aufmachers unterzeichnet, deshalb erwähne ich ihn hier explizit noch einmal. Auf der Webseite von openpetition wird auch explizit auf die Änderung und die Gründe  unter Neuigkeiten hingewiesen.

 


2. Was ändert sich in einem Naturpark?

a) 🌄🌲🌳 Naturschutzrechtlich nicht viel:

Die Fläche des Nationalparks entspricht weitgehend der Fläche eines FFH (Flora-Fauna-Habitats)- und SPA- (Vogelschutzgebiet) nach europäischem Recht. Die damit verbundenen europarechtlichen Verpflichtungen sowie die fortbestehenden biotop- und artenschutzrechtlichen Bundesregelungen sind auch weiterhin zu erfüllen bzw. zu beachten.

Das heißt, alle Eingriffe - insbesondere in die Ruhezonen - sind einer naturschutzrechtlichen Prüfung zu unterziehen, das gilt insofern auch weiterhin für gewünschte Hängebrücken, Klettersteige, den Betrieb von Dampfloks oder Luxushotels in Ruhezonen.

 

In einem Nationalpark schreibt der in der Petition zitierte § 24 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz explizit ein "Naturerlebnis der Bevölkerung ... soweit es der Schutzzweck erlaubt" vor. Das wir durch die Nationalparkverwaltungen mit Besucherlenkung, Wegekonzept, in Sachsen auch Bergsportkonzeption oder der Ausweisung von Kern- und Ruhezonen im Austausch mit den Akteure vor Ort (z.B. AG Wege, AG Kommunikation, AG Boofen, ...) umgesetzt. Viel mehr Nutzung ist auch in einem Naturpark bei Berücksichtigung der europarechtlichen Rahmen schwer möglich.

 

⇒ Touristische Vorhaben scheitern demnach nicht automatisch am Status Nationalpark.

 

b) 💰 Finanzierung der Naturparke ist kommunal:

Naturparks in Sachsen befinden sich i.d.R. in kommunaler Trägerschaft (Zweckverbände oder Vereine).

Diese erhalten lediglich einen kleinen Zuschuss vom Freistaat, der in §52 SächsNatSchG geregelt ist. Aus Gründen der Gleichbehandlung der Naturparks in Sachsen (Erzgebirge/Vogtland, Dübener Heide und Zittauer Gebirge), mit denen die Sächsische Schweiz in Konkurrenz steht, wäre dann eine Bevorzugung der Region bei Finanzierung und Verwaltung schwierig.

 

Die gesamte Nationalparkverwaltung, einschließlich deren weitgehend selbstverständlichen Leistungen für die Unterstützung Tourismus und Entwicklung der Region, würden entfallen und müssten dann vom kommunalen Träger neu aufgebaut und finanziert werden, z.B. durch Umlagen der beteiligten Gemeinden oder Abgaben von Touristen bei Nutzung der Infrastrukturen.

Ein Vergleich mit der touristischen Leistungsfähigkeit der sächsischen Naturparks zeigt, dass mit Einbußen im Tourismus zu rechnen ist, fällt der Nationalparkstatus weg.

 

⇒ Wahrscheinlich wird an dieser Stelle klar, warum sich die "Hotspots" Bad Schandau oder Rathen in der Diskussion ziemlich zurückhalten. 

 

c) 🔥 Verbesserung des Brandschutzes

Dieser Forderung kann man nun kaum widersprechen!

Allerdings ist Brandschutz und damit die Anpassung der Feuerwehr auf die Erfordernisse eine kommunale Aufgabe. Das heißt, die Städte und Gemeinden sind dafür zuständig, wie sie ihre Feuerwehren ausrüsten und ausbilden. Das ist mitunter teuer und manchmal auch kaum von einer einzelnen Gemeinde zu stemmen, darauf hat aber der Status Nationalpark oder Naturpark keinen Einfluss. Ein wirksamer Brandschutz hängt vom Engagement der jeweiligen Feuerwehr ab. Der Klimawandel ist künftig hier mitzudenken.

Das heißt nicht, dass hier kein Handlungsbedarf besteht und sich alle anderen zurücklehnen können. Es heißt, hier muss man etwas tun, gemeinsam und zwar unabhängig vom Status der Region Sächsische Schweiz.

 

Im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung/Flächennutzungspläne können im Übrigen auch Randgebiete der Gemeinden beplant werden, um dort beispielsweise den Brandschutz zu verbessern (Eingriffe in den Wald). Das ist allerdings ziemlich mühsam und wird gerne von Gemeinden gescheut (ist auch teuer). § 1 Absatz 7  Baugesetzbuch kennt allerdings auch den Naturschutz (aber weder Naturpark noch Nationalpark).

 

d) Nationalpark, Totholz und Brandgeschehen

Man mag viel über den Sinn und Unsinn von Totholz im Wald diskutieren. Fakt ist, dass das Totholz durch Borkenkäferbefall, der durch extreme Trockenheit begünstigt wurde, entstanden ist. Selbst wenn man den Anspruch hätte, alles Totholz aus dem Wald zu entfernen, wäre das eine kurz- und mittelfristig unlösbare Aufgabe. Derzeit werden alle verfügbaren Ressourcen dafür eingesetzt, Wege, Rettungswege und Straßen für Besucher frei zu halten.

Im böhmischen Teil des Nationalparks war das Totholz - sofern irgendwie möglich - flächig entfernt, dort brannte die Humusauflage. Wind und Trockenheit haben den Brand begünstigt - das kann (unabhängig vom Status der Region) auch im kommenden Sommer wieder relevant werden. Metertief ist der Boden aktuell ausgetrocknet. Daran ändert auch der Status des Nationalparks nichts.

 

Wie das vorhandene Totholz im Wald die Waldbrandgefahr beeinflusst bzw. beeinflusst hat, bewerten derzeit gleich zwei Expertengremien (Die Ergebnisse liegen mittlerweile vor- siehe auch das Update unten!), die auch aus Brandschützern und Feuerwehrleuten bestehen. Brandschutz wird in der geplanten Novellierung der Nationalparkverordnung dann zwangsläufig eine Rolle spielen - das wäre in einem Naturpark jedoch gleich zu handhaben. Die aktuell häufig geforderte Gestaltung eines Nutz- und Kulturwaldes ist weder im Nationalpark noch Naturpark möglich. 

 

e) Ökologischer Lastenausgleich 💰🤑

Die Urheber der Petition fordern einen ökologischen Lastenausgleich.

Update (März 2023): Was gemeint ist, ist in der Petition selbst nicht näher definiert. Zieht man jedoch die mittlerweile verfügbaren Statements in den verschiedenesten Medien heran, scheinen die Verfasser der Petion darunter eine Art "Prämie" für Gemeinden rund um den National- beziehungsweise Naturpark Sächsische Schweiz zu verstehen.

 

Das ist bei näherer Betrachtung wenigstens unfair den (Naturpark-)Regionen gegenüber, die ebenfalls um die Entwicklung des Tourismus ringen, z.B. Erzgebirge, Vogtland oder Lausitz. Wenn die Gemeinden der Sächsischen Schweiz, die ohnehin schon den lebhaftesten Tourismus im Freistaat jenseits der großen Städte haben, dann zusätzlich Geld bekommen, würden andere Regionen im Freistaat massiv benachteiligt. Also müssten aus Gründen der Gleichbehandlung alle Naturpark-Gemeinden mehr Geld bekommen - was dort Jubel auslösen dürfte.

 

Keinen Jubel allerdings in der Gesamtschau: Das Geld für den kommunalen Finanzausgleich ist in seiner Summe fix (Finanzausgleichsmassengesetz) und daher nur einmal da. Also muss dann an anderer Stelle gekürzt werden. Die Folge wäre vermutlich ein epischer Streit zwischen den sächsischen Gemeinden über die Verteilung der Mittel. Hier kommen dann Themen wie Straßenbau, Schulen, Kitas, soziale Lasten, Wasserversorgung oder ähnliches zur Sprache. Das würde ein Spaß!

 

Hingegen erscheint ein "ökologischer Lastenausgleich", der tatsächlich und zweckmäßig darauf abzielt Anreize an die kommunale Ebene für Nachhaltigkeit, Klima- und Naturschutz zu setzen, absolut überlegenswert.

Zumindest wäre das kein "Spielgeld" für Hängebrücken & Co., sondern eine Investition in die Zukunft.


Update 2023: Waldbrandgutachten

Zwischenzeitlich liegen die Gutachten zur Auswertung der Waldbrände vor.

 

Die Nationalparkverwaltung hat alle Untersuchungen, sowie Kartenmaterial auf ihrer Seite veröffentlicht.

Auch wenn gerne einzelne Sätze aus den Gutachten (alias: "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast ...") heraus gezogen werden, um das im Zusammenhang mit den Bränden am häufigsten bemühte (und leider griffigste) "Feindbild Totholz" zu belegen, ist - wie so oft - die Wahrheit komplexer.

Der Mensch neigt zur Einfachheit und ein Haufen toter, trockener Fichten ist in der Tat ein sehr schlichtes und gut vermittelbares Bild. Das ist leider fahrlässig, denn mit der "Bekämpfung toter, trockener Fichten" und der Öffnung von ein paar Wegen, die "man" schon immer gern begehen wollte, ist das klimabedingte Problem unserer Wälder nicht gelöst.

 

Allen Zweiflern sei daher insbesondere Kapitel 8 der böhmischen Untersuchung ans Herz gelegt - und bitte in Gänze lesen und nicht nur ein paar Sätze, die das eigene Bild bestätigen. Die Probleme unserer Wälder sind zu groß. Sie haben nicht verdient, dass man sich hier den Umgang nach Art von Facebook oder Instagram im Sinne von "ich mach die Welt, wie sie mir gefällt" leistet und all das blockiert, was ich nicht sehen will. Zeigt Klugheit und Größe und habt Mut zur Wahrheit!


Abschließend:

Für eine Diskussion stehe ich gerne zur Verfügung. Es gäbe rechtlich (es ist kompliziert) und inhaltlich noch viel mehr zu sagen, aber das führt hier zu weit, ... und wer liest schon gern endlose Texte 😅 

Die wichtigsten Punkte sind zumindest als Schlaglichter erwähnt und es wäre schön, wenn man etwas darüber nachdenkt und sich informiert.

Korrekturen und Hinweise sind unbedingt willkommen. Nichts ist in Stein gemeißelt und auch ich habe den Stein der Weisen nicht gefressen! Mir ist eine Versachlichung des Diskussion wichtig.

 

Neues Leben nach dem Waldbrand. Foto: Helmut Schulze 2022
Neues Leben nach dem Waldbrand. Foto: Helmut Schulze 2022