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Kabarett am Nachbargipfel

Wir sind in Ostrov/ Eiland klettern. An den Gipfeln herrscht reges Begängnis, schließlich droht ab Mittag fieser Regen und die kurzen Zustiege und die eher kleinen Gipfel sind daher für den "Ich-nutze-das-schöne-Wetter-am-Vormittag-Kletterer" attraktiv.

 

Wir stehen also am Kreisel/Káca und wollen die Westkante/Udolny, böhmisch V, klettern. Am Nachbargipfel hat sich mittlerweile eine sächsische Seilschaft, zwei Männer so um die 50, eingefunden. Geplant ist wohl die "Stahlmagistrale", VIIc/ VIIIa am Teufel/Cert.

Der Vorsteiger, ein recht großer Mann mit riesigen Händen steht bereits auf dem SW-Pfeiler, legt dort eine Schlinge und schaut kritisch zum Ring, der ca. 3m links oberhalb des Pfeilers blinkt. Der deutlich kleinere Nachsteiger schaut mit geduldigem Blick nach oben und sichert mit Abstand und ordentlich Schlappseil seinen Kameraden.

 

"Ich geh dann ma zum Ring." - der Vorsteiger.

"Ja, der ist ja gleich da oben." - der Sicherungsmann.

"Hm, das sind keine drei Meter." - der Vorsteiger.

"Höchstens zwei Züge. Aber nich weit." - der Sicherungsmann.

 

Der Vorsteiger geht zur Wand, greift sich eine Leiste und steigt einen Zug nach oben. Verharrt und kommt schnell zurück:

"Die Leiste is ritsch gut.", stellt er fest.

Der Nachsteiger nickt: "Sah auch gut aus."

"Aber die Tritte sind schlecht." - Vorsteiger.

"Schlechte Tritte sind Mist." - der Nachsteiger schüttelt wissend den Kopf.

"Da stellt man sich drauf, dann kommt die Flosse und das wars dann." - Vorsteiger wackelt nachdenklich mit dem Kopf.

"Da kann man nichts machen, das ist beschissen." - Nachsteiger.

"Man muss die Leiste halten und die schlechten Tritte nehmen." - Vorsteiger.

"Das ist übel." - Nachsteiger.

 

    (Es ist eine VIIc - "böhmisch" zudem - denke ich. Was erwarten die also?)

 

"Aber man sieht ni, was danach kommt." - Vorsteiger.

"Es sind aber nur drei Meter." - Nachsteiger.

"Vielleicht probiere ich das mit der langen Exe?" - Vorsteiger.

"Gute Idee, es ist ja nicht weit. Höchstens zwei Züge." - Nachsteiger.

"Mist, die Exe ist noch im Rucksack. Kannst du die mal holen. Ich stehe hier gut." - Vorsteiger.

 

Der Nachsteiger nickt, sichert aus und trollt sich in Richtung Rucksäcke.

 

Ich steige nun in meinen Weg ein. Klettere bis zum Ring, unterwegs kann ich noch genau eine Schlinge legen … auch nicht gerade übersichert … aber ich habe ja nur gute Leisten, gute Tritte, keine Flossen und meine Hände sind auch eher klein ;)

Während ich dann unter dem Ausstiegsboulder ein Schlingennest aus Ufos bastle (schön verspannen und ja: Ich liebe Ufos!), geht die Show am Nachbargipfel weiter. Der Sicherungsmann ist mit einer langen, sogenannten Panik-Exe zurück gekommen.

 

"Ich habe deine nicht gefunden. Du kannst meine nehmen." - sagt der Nachsteiger und befestigt die Exe am Seil.

"Komisch, dann muss sie der Ralf noch haben. Aber deine geht bestimmt auch." - Vorsteiger.

    (Ja klar - denke ich - klar, geht jede andere Panik-Exe auch).

"Es ist ja die gleiche Exe." - Nachsteiger.

"Ja, aber nicht meine. Die habe ich beim letzten Mal dem Ralf gegeben." - Vorsteiger.

 

Der Vorsteiger pflückt sich dennoch die Exe aus dem Seil (der Mann ist vernünftig!).

"Ich geh dann mal los." - Vorsteiger

"Ja, jetzt klappt das." - Nachsteiger.

 

Der Vorsteiger schnappt sich die gute Leiste, stellt sich auf die schlechten Tritte und fuchtelt ungefähr 2m unter dem Ring mit der Panik-Exe herum.

"Puh, ist das weit." - Vorsteiger.

"Das ist wirklich weit." - Nachsteiger

"Das ist ja viel weiter als ich gedacht habe. Ich muss noch einen Zug mit den schlechten Tritten machen." - Vorsteiger und runzelt die Stirn.

"Das ist ja Scheiße. Da nützt die Exe auch nichts." - Nachsteiger.

 

    (… ja, dem ist nichts hinzuzufügen, denke ich, als ich auf dem Gipfel sitze, die beiden Kletterer beobachte und Helmut dabei nach oben sichere.)

Der Vorsteiger klettert zurück, befestigt die Panik-Exe am Gurt und schaut kritisch nach oben.

"Das sind vielleicht drei Meter." - Vorsteiger.

"Ja, is nicht weit!" - Nachsteiger.

"Aber echt schlechte Tritte." -Vorsteiger.

 

    (Boar, "zurück auf los", denke ich).

 

"Da musst du die Leiste ma richtig zuschrauben." - Nachsteiger.

"Hm. Zuschrauben. Ist aber trotzdem Scheiße." - Vorsteiger.

 "Hm, kann nicht jeder gut." - Nachsteiger.

 

Der Vorsteiger jedoch geht tatsächlich wieder zum Angriff über. Er schnappt sich die Leiste, schraubt die vermutlich zu und fuchtelt mit der linken Hand an der Kante herum. Dann setzt er einen Fuß nach, richtet sich auf und rastet mit links unterhalb des Rings in einen Griff ein.

 

"Ein Henkel!" - Vorsteiger, klippt mit rechts den Ring und setzt sich rein.

"Na das ist ein Ding." - Nachsteiger.

"Das hätte ich jetzt nicht gedacht." - Vorsteiger.

"Nee, das hat man nicht gesehen." - Nachsteiger.

"Die Tritte sind aber trotzdem schlecht." - Vorsteiger

"Aber ein Henkel ist gut." - Nachsteiger.

"Ja, das war super." - Vorsteiger.

"Wie geht es weiter?" - Nachsteiger.

 

Oh …!" Diese Frage hätte er nicht stellen sollen! Denn: Es geht genau so weiter wie bisher. Die Anzahl der besseren Leisten und schlechten Tritte scheint sich auch nach dem Ring jetzt nicht wirklich verändert zu haben. Zumindest lässt das die Kommentierung des Weiterwegs erahnen.

 

Wir trollen uns derweil in Richtung Attilastein/Orel. Dort möchte ich den Talweg "testen".

Derweil hat sich ein Pärchen am Wandfuß des Kreisels eingefunden. Er steigt in den Weg "Dreh dich Kreisel" (sehr böhmische VIIc) ein und geht am 1 . Ring fest.

 

Von Ferne hörte sich das dann so an:

"Dann lass das mit dem Klettern, es ist jedes Mal das gleiche." - bockige Sicherungsfrau am Kreisel.

"Der Griff hier ist wirklich wieder gut. Aber die Schlinge is Scheiße" - Vorsteiger am Teufel.

"Lass mich probieren, ich kann das." - bockiger Vorsteiger am Kreisel.

"Schlechte Schlinge is nicht gut." - Nachsteiger am Teufel.

"Ich finde auch andere, mit denen ich Klettern kann." - bockige Sicherungsfrau am Kreisel.

"Aber der Griff ist gut, Tritte hab´sch schon bessere gesehen." - Vorsteiger am Teufel.

"Du hattest schon zwei Anläufe und kommst nicht hoch." - bockige Sicherungsfrau am Kreisel.

"Da musst du ritsch gut stehn." - Nachsteiger am Teufel.

"Ich kriege das hin, die Auflagen sind nur rutschig." - bockiger Vorsteiger am Kreisel

"Ja, mal sehn ob die Flosse hält." - Vorsteiger am Teufel.

 

                 + + + Schweigen + + +

 

Erschrocken schaue ich in Richtung der beiden Gipfel. Abgestürzt? Gegenseitig umgebracht?

Doch am Kreisel sitzt der Vorsteiger im Ring, seine Sicherungsfrau starrt wütend hoch und kann nicht weg.

Am Teufel bouldert der Vorsteiger mit schlechter Schlinge zu seinen Füßen an einem guten Griff in Richtung des zweiten Rings.

 

Meine Güte, es wird Zeit, dass wir hier weg kommen. Außerdem setzt der versprochene Regen mit einem verheißungsvollen "Vorniesel" gerade ein …