Wir lernen es nicht!
Die WetterApp (also alle beide) sagt für Sonntag bestes Herbstwetter (alias: "Goldener Oktober") voraus. Sonne satt und warm zudem.
Perfekt für ein Herbstkletterbild in den Schrammsteinen:
"Bunter Kletterer an einem Gipfel des Schrammtors umrahmt vom rotgolden leuchtenden Laub herbstlicher Buchen."
Wir quälen uns also gegen 6.00 Uhr aus dem Bett - weniger wegen des "Goldes der Morgenstund" (wir brauchen das Nachmittagslicht), mehr wegen eines Parkplatzes im Zahnsgrund. Es sind Herbstferien, es ist Sonntag und die Wetterprognose ... naja, siehe oben.
Noch bevor wir starten, trudeln die ersten Bilder von wahren "Early Birds" aus der Zielregion ein: Nebel, böhmische Walze und weit und breit keine Sonne. Es erinnert fatal an unsere Nebelaktionen aus der vorletzten Woche: Diese endete nämlich damit, dass wir zwei Stunden im Nebelsturm frierend auf dem Meurerturm (Felix und ich) bzw. dem Schrammtorwächter (Helmut) hockten und auf Sonne hofften, die dann nicht kam ...
Die Hoffnung stirbt zu letzt.
Wir geben dennoch die Hoffnung nicht auf, schließlich verspricht die WetterApp (also alle beide) ab Nachmittag die goldene Sonne. Bis Königstein ist es auch sonnig und wunderbar herbstlich. Dann verschluckt uns der Nebel - die Schrammsteinkette ragt schemenhaft und düster im Dunst auf. Als wir gegen 8.30 Uhr am Parkplatz ankommen, ist dieser bereits gut gefüllt. Wir ergattern die letzten beiden freien Plätze. Heerscharen bunter Wanderer starten in den Wald. Wir starten mit.
Anges sieht ungefähr so zerknautscht aus, wie ich mich fühle: müde. Später gesteht sie uns, dass sie noch nicht mal einen Kaffee hatte (weil verschlafen). Das ist noch schlimmer, als gedacht!
Wir schlammschlachten uns durch den Lattengrund zum Schrammtor. Dort stehen wir - welch Überraschung - im Walzen-Nebel, der im Eiltempo an uns vorbei weht. Es ist ungemütlich. Wir sind unentschlossen. Vertrauen wir der WetterApp und hoffen auf Sonne am Nachmittag? Fahren wir an den Lilienstein in die Sonne? ... oder gehen wir wieder ins Bett.
Agnes sagt nichts, guckt aber so, als ob sie die letzte Variante bevorzugt. Ich theoretisch auch, würde aber auch den mühsam erkämpften Parkplatz "ausnutzen" wollen.
Walze oder Nicht-Walze?
Wir kommunizieren mit den "Early Birds". Diese brechen gerade am Winklerturm ab und wollen nach Rathen flüchten. Oha, die "harten Jungs" geben auf?
Agnes telefoniert nach Hause und entscheidet sich schließlich für eine Fahrradtour mit Mann im Sonnenschein. Helmut und ich beschließen, erstmal mit zum Auto zu gehen, um gegebenenfalls ein Seil zu holen - oder eben weiter zu fahren.
Wir kämpfen uns antizyklisch den Lattengrund durch Schlamm und zum Teil Masken tragende Menschenmassen in den Zahnsgrund zurück. Dort ist das Park-Chaos ausgebrochen. Autos aus gefühlt allen Teilen der Republik schleichen dicht an dicht über die Straße und hoffen auf ein Parkplatzwunder.
Wir packen das Seil ein und folgen dem bunten Gewimmel in den Schießgrund. Lilienstein ist abgewählt. Falkenstein geht immer: Schusterweg. Zudem hat Helmut den als "Wichtelweg" bei der Verlosung leichter Wege am Jahresanfang erhalten.
Als wir am Fuße des Falkensteins ankommen, hat sich die Walze dort bereits verzogen!
Dafür stehen Kletterer am Einstieg vom Schusterweg - gänzlich ohne Maske und Abstand - bereits in Gruppen an. Ich zähle vier - einer steigt gerade eifrig die ersten Seillänge vor. Drei weitere Schusterweg-Aspiranten kommen nach uns an und maulen angesichts der wartenden Bergsteiger in ihren e-Zigaretten-Qualm.
Free und solo.
Der Vorsteiger der 4-er-Gruppe ist am ersten Stand. Die drei Nachsteiger beginnen in Zeitplupe ihre Klettersachen anzuziehen. DIE Chance! Beherzt springen wir in unsere Gurte, binden das Seil auf den Rücken und drängeln uns schamlos und ungesichert an der Seilschaft vorbei. Dort gibt es kurzes Erstaunen und Gemurre, dann lässt man uns ziehen (naja, was sollen sie auch machen?).
Fix sind wir am Einstieg der Porzellankante - das Filetstück des Schusterwegs sozusagen. Helmut steigt - nun mit Seil - die Kante hinauf, am Ring vorbei übers "Kriechband" zum nächsten Stand. Ich hinterher - die Kante ist genial. Den unteren Teil des Kriechbandes kann ich recht bequem außen klettern. Im zweiten Teil bleibt das leider Wunsch. Zwar versuche ich dieses schräg liegende Kaminstück halbwegs würdevoll zu "klettern" - am Ende jedoch rutsche auch ich tief hinein, strampel mich mit den Füßen an der oberen Wand ab, entdecke sogar noch eine Ufo-Stelle und schrubbe die fünf Meter schnaufend bis zum Stand.
Das hat sich gelohnt! Das Panorama in Richtung Affensteine im Herbstlicht ist grandios, über dem hohen Torstein wabern die letzten Fetzen der böhmischen Walze über eine dichte Menschentraube (mit Masken? und definitiv ohne Abstand) auf der Schrammsteinaussicht hinweg.
Desinfiziert eigentlich ab und zu jemand die Nase vom Oskar?
Ich kaminiere - jetzt hoffentlich recht elegant - die nächste Seillänge in den großen Tapsen zum Pfeiler vor der Schusterplakette. Dort entdecke ich eine Seilschaft, die gerade in den "Unteren Reitgrat" einsteigt. Helmut tapst hinterher, an mir und am Oskar-Relief vorbei - der trägt noch nicht mal Maske! - rubbelt traditionsgemäß dessen Nase und verklemmt sich vorm sogeannten "Unteren Reitgrat" in den Blöcken. Dann bin ich wieder dran. Die potentiell verseuchte Metallnase der vom Oskar fasse ich nicht mal mit dem soeben gefundenen Risshandschuh an ;)
Der Einstieg zum "Unteren Reitgrat" ist ein enger Köperriss. Man kann auch Schrubber dazu sagen. Hier helfen zwei kleine, in den Fels gehauene Tritte, in den Riss reinzukommen, dann keult man einige Meter hoch.
Zum Glück sieht Helmut nicht (er hockt ja um die Ecke in den Blöcken), wie ich bei der ersten Gelegenheit dem Riss entfleuche und bequem auf dem Grat balanciere. Die Hand links am Fels, rechts gähnt die Reibung der Reginawand - die erinnert mich an eine Rutsch-Rampe beim Canyoning ... nur ohne Wasser.
Von wegen kein Speck!
Dann stehe ich vor der kleinen Steilstufe am Ende vom Unteren Reitgrat. Hier findet sich einer von den drei mir bekannten tatsächlich etwas abgespeckten Tritten im Sandstein. (Die anderen beiden darf man am am "Klavier"/Daxenstein/Bielatal und am Einstieg der "Genießerspalte"/Meurerturm/Schrammsteine bestaunen.)
Ich positioniere das große gelbe Obr-Ufo oben im Riss und brauche dann ungefähr fünf Anläufe, bis mir wieder einfällt, dass ich mich mit einer kleinen Leiste für die linke Hand nach hinten lehnen kann, um mein langes Bein auf den Tritt für rechts zu falten. Zum Glück sieht mich keiner, wie ich alias Homer Simpsons fünfmal die gleiche sinnlose Bewegung mache :)
Der Rest ist Formsache, ich hole Helmut nach.
Schon stehe ich am "Oberen Reitgrat". Hier traue ich mich leider nicht, auf dem Grat nach oben zu blancieren, sondern klettere ihn "innen". Erst mit den Füßen, später bis zur Hüfte. Nunja, "schön" ist was anderes. Dann stehen wir oben. Ein Kletterer aus der Seilschaft vor uns freut sich über seinen Risshandschuh, denn wir weiter unten gefunden haben.
Herbstlicht soweit das Auge blickt!
Was für ein gewaltig schönes Panorama liegt vor uns! Die Herbstsonne beleuchtet Affensteine, Tafelberge und mittlerweile sogar den Hohen Torstein und die vielen Menschen auf der Schrammsteinaussicht - irgendwohin mussten die vom Parkplatz aus ja gehen.
Wir lassen uns einige Zeit die Sonne ins Gesicht scheinen, während die beiden Seilschaften vor uns versuchen, lautstark die Turnernadel zu bezwingen.
Nix verpasst.
Nach dem Abseilen und einer kleinen Mittagspause in der Sonne (in der Südseite vom Falkenstein steppt der Bär!) schlendern wir noch zum Schrammtor, um das eigentlich geplante Fotomotiv von der Löschnerwand aus zu begucken. Zum Glück sind aber weder das Licht als auch das Motiv selbst so gigantisch, dass man sich hätte über die morgendliche böhmische Walze ärgern müssen.
Immerhin, die Löschnerwand am Spitzen Turm erweist sich als zuverlässig schöne Klettterei.
Müde steigen wir erneut durch den Schlamm zurück zum Auto, der gesamte Zahnsgrund ist jetzt mit unzähligen, natürlich knöllchenbestückten Autos zugeparkt.
Wow. Ich fürchte, ein bloßer Verzicht auf den Ausbau der Parkplätze wird das Parkproblem in der Sächsischen Schweiz nicht lösen. Denn ich kann mir kaum vorstellen, dass all die Leipziger, Berliner, Bautzner, Bayern, Thüringer, etc., die ich hier sehen kann, brav mit dem Zug vom Hauptbahnhof Dresden nach Bad Schandau fahren - zumal es am Bahnhof in Dresden auch keine Parkplätze gibt.