Teufelsturm Talseite, VIIIa - Letzte Woche war es eher ein "Schnappschuss". Also das Bild welches Helmut von Felix an der Schlüsselstelle der Teufelsturm-Talseite (nach dem 3. Ring) gemacht hat. Zwar musste er sich dafür einen nadel- und stinkwanzendurchseuchten Massivhang am Fixseil zunächst nach unten und dann wieder nach oben arbeiten, doch es war in dem Sinne eher eine "spontane Fotogelegenheit".
Das Ergebnis war recht ansehnlich und die Bewegung des Kletterers schön ... nach eingehender Betrachtung stellt der Fotograf fest, besser wäre es allerdings, wenn
- der Kletterer bunter,
- das Herbstlaub auch (noch) bunter,
- die Haltung des Sichernden am Ring eleganter (oder am besten ohne Sicherer im Bild) und
- das "Licht überhaupt schöner"
Na dann!
Hat sich aber eine solche Idee erst einmal beim Fotografen festgesetzt, wird sie - ähnlich wie argloser Morgennebel im Elbtal - konsequent verfolgt. Mit Blick auf die Dauer des gefärbten Laubs an den Bäumen dann auch mit Nachdruck. Typerweise hängt das bunte Zeug nur knapp zwei Wochen an den Bäumen, danach sind sie ähnlich kahl, wie die vom Borkenkäfer radikal zerfressenen Fichten.
Die Aussichten für diesen Sonntag sind demnach super.
Es ist ab Sonnenaufgang eitel Sonnenschein bei mindestens 15°C angesagt. Angesichts dieser Prognose verzichte ich auf Daunenjacke und Tee und auf geht es nach Schmilka.
Die Sonne verlässt uns bereits in Königstein und schnellziehende Nebelschwaden begleiten uns bis Bad Schandau. 10.00 Uhr stehen wir nicht nur im feuchten Dunst am Wandfuß des Teufelsturms, sondern auch im allseits beliebten Herbststurm: Böhmische Walze* in Höchstform.
* Böhmische Walze: Für alle die, die den Begriff nicht kennen: Es handelt sich dabei um ein Wetterphänomen, das vor allem im Herbst und im Winter auftritt. Es ist im Grunde eine Ansammlung kühler, feuchter Luft (alias Nebel) im tiefliegenden Böhmischen Becken. Diese schichtet und staut sich auf, so dass sie an den Rändern von Ferne (also von Sachsen aus) betrachtet, tatsächlich ein wenig wie eine Walzenrolle wirkt, die auf die wärmere, klare Luft in den höheren Lagen drückt.
Passend dazu findet an dieser Grenze ein Wärmeausgleich statt, oder anders: Es weht ein kräftiger Wind … um genau zu sein: ein ätzender Wind! Hier etwas schicker erklärt: Deutschen Wetterdienst.
Wir stehen schließlich also genau in diesem Wind. Die feuchten böhmischen Schwaden tauchen die Umgebung in eine Art Milchglas. Die WetterApp "sagt", dass es vielleicht in einer Stunde für eine halbe Stunde etwas aufziehen könnte. Wow! -> Wir brauchen also ein Wunder und eine Punktlandung.
Einen Versuch ist es wert. Helmut verschwindet in Richtung Massiv zu Wanzen und Nadeln. Wir lassen uns zum Einstieg wehen.
Dort ziehe ich alles an, was ich dabei habe: T-Shirt, Long-Shirt, Fleece 1, dünne Kunstdaune, Fleece 2, Windjacke - und keine Daunenjacke :(
Auf geht es in die Route. Rüdiger ist fix am 1. Ring der Sonnenuhr, dann steigt er direkt und etwas weniger fix im leichten Rechtsbogen zum 2. Ring der Talseite. Sehr schnell ist er am 3. Ring des Wegs. Knapp 30m Seil wehen mittlerweile in einem gigantischen Linksbogen und verursachen ordentlich Seilzug. Ruck zuck ist Rüdiger über den Überhang geklettert, hängt den 5. Ring der Teufelsfratze (IGK) ein und lenkt an diesem um. 70m Seil reichen gerade bis zum Boden zurück.
Ich bin komplett durchgefroren, meine Hände haben das Gefühl vom Sibirischen Winter und bewegen kann ich mich durch die vielen Jacken auch nicht wirklich.
Die Aussicht, mich beim Klettern aufzuwärmen, motiviert mich. Obwohl ich meine Hände kaum fühle, komme ich zügig bis zum 1. Ring der Sonnenuhr - "Zustieg sozusagen" - dann wird es knifflig. Überhängend geht es wahlweise links an einer brummenden Rippe mit keinen Tritten oder rechts mit schlechten Griffen und immerhin kleinen Tritten weiter. Jetzt verstehe ich die Entschleunigung von Rüdiger in dieser Passage, zumal zwischen 1. und 2. Ring ca. acht Meter und keine Zwischensicherungen liegen - dafür grinst ein kleines Dach.
Ich wähle links (brummende Rippe ohne Tritte, gruslig: Kann man definitiv niemanden "mit Seil von unten" empfehlen!) und eigentlich sitze ich mehr im Sturm im Seil, als dass ich anständig klettere. Zug für Zug arbeite ich mich mit gefühllosen Händen nach oben und bin irgendwann am 2. Ring der Talseite. Das ist dann eher meine Kragenweite, YES. Obwohl sich der Wind alle Mühe gibt, mich von der Kante zu pusten, bin ich bald am 3. Ring. Ich gehe zurück zum 2. Ring, dort baue ich um und seile ab. Helmut möchte dann die Passage ab dem 2. Ring fotografieren.
Kaum bin ich unten, flitzt Rüdiger behände bis zum zweiten Ring, zieht dort die Windjacke aus, um mit leuchtblauem Pulli den Wunsch des Fotografen nach "Nicht-Herbst-Farbe" zu erfüllen und turnt atemraubend akrobatisch zum 3. Ring, dann wieder fix über den Überhang - dort baut er am 5. Ring der Teufelsfratze um.
Die Sonne lässt sich noch immer nicht blicken, es wird eher noch nebliger und düsterer. Soweit zu "halbe Stunde Sonne" ...
Nach einer fixen Runde "Teufelsfratze mit Seil von oben" packen wir schließlich in Windeseile unserer Sachen. Mittlerweile ist Helmut zurück und tatsächlich ganz zufrieden mit den Bildern. Zwar nicht buntes Laub, dafür bunter, akrobatisch Kletternder vor böhmischer Walze. Aha!
Wir fliehen an den Thürmsdorfer Stein in die Sonne. Mit einem Kaffee in der Hand treffen wir dort auf "Flüchtlinge" aus Modrin und dem Elbtal: "In" der Böhmischen Walze war es zwar nicht stürmisch, dafür aber ordentlich nass.